1864-Arkivet

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Ein mit Blut besteckten dänisches Brief

Wilhelm Camphausen (født 8. feb. 1818 i Düsseldorf, død 18. juni 1885) var en tysk slagmaler, som besøgte krigsskuepladsen ved Dybbøl fra den 12. april. Han lavede en række detaljerede tegninger fra krigen. Bl.a. et par tegninger af Dybbøl Banke efter slaget den 18. april 1864.

Mit einer gewiß begreiflichen Scheu trat ich an die ersten dahingestreckten Toten heran, und zögernd und allmählich erst vermochte das Auge, an dem entsetzlichen Anblick zu haften. Da lagen sie, meist schon in langen Reihen neben einander gelegt, fahl mit der blutlos gebräunten Backe, starr und regungslos, das gebrochene Auge dem blauen Himmel zustarrend, der sich inzwischen wieder aufgeklärt hatte. Ich sah den Ersten, den Zweiten und andere, und schon war ich im Stande, die Nächsten festen Blickes lange zu betrachten. Was ich im gewöhnlichen Einerlei des friedlichen Alltagslebens nimmer für möglich gehalten, erfuhr ich hier zum ersten Male in überraschender Weise an mir selber: die unglaublich rasche Abstumpfung des menschlichen Gefühls für das Gräßliche, wenn es in solcher Masse auftritt. Als ich nun gar den Stift zur Hand nahm und einige der Charakteristischen Totengruppen zu skizzieren begann, da war völlig jede Scheu verschwunden, und ich sah den schauerlich, gewaltsam hingewürgten Menschenleibern nur noch das beliebige Etwas, das da aus graden und krummen Strichen bestehend, von mir nachzubilden sei und das ich mit fast derselben Gleichgültigkeit, wie etwa einen Tisch oder einen Stuhl, zu Papier zu bringen strebte. Wenn es aber mir, der ich, im heimatlichen Frieden aufgewachsen, solch krassen Anblicken gegenüber völlig Neuling war, in kurzer Zeit also ging, zu welchem Grade abgestumpfter Kälte muß der Soldat gelangen, der in langwierigem Feldzug unzählige Wiederholungen dieser Szenen erleben mußte! – Ich sah dort auf der Düppeler Wahlstatt im Verlauf der beiden nächsten Tage noch mehrere hundert Tote, zum Teil mit gräßlichen Verstümmelungen, zerschmetterten oder ganz fortgerissenen Gliedern, bei weitem die meisten aber waren vom sichern preußischen Zündnadelgewehr mitten durch den Kopf getroffen. Der Geschichtsausdruck war meist ruhig, manchmal sogar fast heiter, die bläulichen Lippen, vom nationalen, kurzstruppigen, rotblonden Bart umsäumt, fest aufeinander gepreßt, die Finger wohl meist etwas kramphaft wie kratzend, geschlossen. Gar zu grausige Anblicke waren in einem achtungswerten Gefühl naturwüchsiger Soldatenästhetik mit irgend einem Rock oder Mantelfetzen verhüllt. Einen hob ich leise auf – ein unförmlich zerschmetterter Schädel ohne Gesicht – Ruhe den Toten und vorbei!

In den dänischen Verbindungswegen zwischen den Schanzen standen die dicken Blutlachen, noch unaufgesogen vom Erdreich, am häufigsten. Dort hatte der Kampf wohl auch die meisten Opfer gefordert. Überdem waren diese Gänge angefüllt mit den verschiedensten Gegenständen. Eines reichlich mit Blut befleckten dänisches Briefes, den ich aufhob, will ich gedenken, da sein nur zum Teil verständlicher Inhalt mich fast zu Tränen rührte. Ein kleiner Knabe schrieb darin in kindlich unbeholfenen Zügen an seinen im Felde stehenden Vater. Es war das uralte und doch dem Vaterherzen so süße Geschwätz von dem kleinen häuslichen Herde und seinem Frieden, von der Mutter und den Geschwistern, wann er die letzte süße Suppe gegessen und wie er letzthin mit Tony, dem kleinen Pferde, Schlitten gefahren und so fort. Zum Schluß hieß es: “Wir sind so froh, daß es dir gut geht, und Du sollst bald wiederkommen, -” dann das letzte Wort: “Schrieb bald!” – Und die Antwort? Da hatte der Arme sie mit seinem Herzblute geschrieben und war dann zusammen gebrochen!
Das waren die grausig rauchenden Menschenopfer jener nichtswürdigen Kopenhagener Journalisten- und frechen Straßenpöbel-Herrschaft! Ist es doch bekannt, daß zwei Tage vor dem Sturm, nach abgehaltenem Kriegsrat, die dänischen Befehlhaber in besonnenen Einsicht der längern Unhaltbarkeit der Schanzen dem Kopenhagener Ministerium den Vorschlag zu ihrer Räumung gemacht und die stolz von Nummer Sicher hertönende Antwort erhalten hatten: “Um jeden Preis darin auszuhalten!!”
Ich sah dann die Leichen haufenweise auf Bauernkarren geworfen und an bestimmte große Begräbnisplätze gefahren wurden. Dort legte man sie zu 100 bis 200 in die tiefen Gruben zwischen Stroh neben- und aufeinander und deckte die Erde darüber. Ein einfach gezimmertes Kreuz aus rohem Holz bezeichnete die gemeinschaftliche Grabstätte mit der Inschrift: “Hier liegen 150 tapfere Dänen.” Darunter waren kunstlos-sinnig zwei verschlungene Hände gemalt, und oben an hing ein immergrünes Palmkränzchen. Ein rührendes Bild versöhnter Waffenbrüderschaft!
Endlich standen wir vor den gewaltigen Schanzen, die wir die Tage zuvor so oft aus respektvoller Ferne geschaut hatten. Je eindrucksvoller aber ihrer riesige Befestigungsweise hervortrat, ein um so glänzenderes Zeugnis legten sie von der über alles Lob erhabenen Tapferkeit der Truppen, desto unbegreiflicher erschien es diese mächtigen Forts in so beispiellos kurzer Zeit erstiegen und genommen worden waren. Unabsehbare zusammengekettete doppelte Eggenreihen mit gekrümmten Eisenspitzen, ganze weite Strecken mit sogenannten Täsarpfählen bespickt, dazwischen mächtige spanische Reiter mit kreuzweiße abstehenden breiten, geschärften Eisenklingen, im Kernschuß der Muskete dreifach gespannte Drahtgitter, Verhaue, Barrikaden, Wolfsgruben, kurz alle nur erdenklichen Mittel im die Stürmenden aufzuhalten, waren angewendet worden, und trotz alledem geriet der gewaltige Anlauf unsere Helden auch nicht einmal sekundenlang ins Stocken! Oft nur mit kräftigen Fußtritt, sonst aber mit dem Hieb des Faschinenmessers wurden die Drähte zerstört oder übersprungen und durchkrochen; einige Sandsäcke, über die stachligen eggen geworfen, genügten den kühn voranstürmenden Plänklern für ihren verwegenen Pfad, und wie die heranrollende Meeresflut die kleinen Dämme und Wälle, die die moderne Badejugend in kindlichem Spiel aus dem Ufersand aufwirft, spottend hinwegschwemmt, so verschwanden in nichts des Fremdlings mühsam erklügelte Hemmnisse vor dem stürmisch entfesselten, todesmutigen Willen deutscher Männer!

Zunächst betrat ich die am Ufer gelegene Schanze Nr. 1. Der etwa zwanzig Fuß tiefe Graben war bereits durch einen rasch aufgeworfenen Erdwall zugänglich gemacht, der zugleich durch eine Lücke in der senkrecht aus der Tiefe des Grabens starrenden mächtigen Palisadenreihe führte. So gelang ich in das Innere. Die Leichen waren herausgeschafft, doch zeugten tiefe Blutlachen von der kurzen aber erbitterten Gegenwehr des Feindes. Alle noch vorhandene Geschütze waren von unseren Batterien zu unbrauchbaren Trümmerhaufen zusammengeschossen. Das gesamte dänische Geschütz bestand aus plumpen eisernen Schiffskanonen, zum Teil kolossalen 84-Pfündern mit kunstlosen veralteten Lafetten. Unter der geringern Anzahl gezogener sind mir nur zwei oder drei schön verzierte, nachträglich mit Zügen versehene alte Bronzerohre zu Gesicht gekommen. In den malerischsten Linien standen und lagen sie umher, jede Gruppe ein bild für sich; die riesige schwarzen Ungetüme mit ihren eisengrau gefärbten Lafetten zwischen den im Sonnenschein grell gelb beleuchteten Lehmwänden, durch die Gewalt unserer Geschosse in die tollsten Positionen geschleudert, hätten wohl monatelangen Stoff für das Skizzenbuch gegeben. Manche standen völlig auf dem Kopfe, andere waren tief in den Sand gewühlt, und ihrer dicken Holzräder lagen zersplittert weit ab. Über allem aber flatterte im Winde die preußische Sturmfahne. Auf der weißen Hälfte der einen in dieser Schanze war schauerlich bedeutsam der Name der stürmenden Schar mit blutigem Finger geschrieben: 5. Kompagnie 4. Gard.-Reg. z. F. Übrigens war in den ersten Tagen nach dem Sturm der Aufenthalt in den Schanzen nicht ohne Gefahr. In Schanze 1 saß ich längere Zeit auf dem noch gefüllten Pulvermagazin und zeichnete, während dessen Eingang mit der größten Strenge von davor gestellten Posten bewacht wurde, die keinen Tabakraucher duldeten. Dazu lagen allenthalben Dutzende noch nicht verwendeter, aber schon gefüllter Sprenggeschosse, Granaten mit dem Zünder darauf usw. umher, mit denen die neugierig betastende Soldateska nicht immer allzu vorsichtig hantierte. Einzelne leichtere Unglücksfälle sollen auch wirklich vorgekommen sein. Ungefährlicher waren die gewaltigen, mit einem eisernen Ring versehenen Kartätschenbüchsen von Eisenblech, deren Inhalt ganz besonders zu Andenken herhalten mußte.
Während ich mit Zeichnen beschäftigt war, erschien Prinz Albrecht, rief mir guten Morgen zu und ließ sich meine gesammelten Skizzen zeigen. So bald nachher auch Prinz Karl, der als Chef der Artillerie der trefflichen Gammelmark-Batterie nach längere Anwesenheit darin den Ehrennamen der “Feldzeugmeister-Batterie” gegeben hat.
Ich besuchte nun der Reihe nach die nächsten Schanzen. Überall mehr oder weniger dieselbe grauenhafte Verwüstung; die mächtigen Blockhäuser mit ihrem quadratschuhdicken Gebälk gleich Strohhalmen zerknickt und zersplittert; allenthalben ähnliche Gruppen zerstörter Geschütze in der mannigfachsten Abwechslung.
In Schanze 2, berühmt durch die energische Verteidigung des Leutnants Anker, brannte schon seit zwei Tagen das Blochhaus, und aus dem gewaltigen Aschenhaufen starrten nur einzelne verkohlte noch rauchende Balken schwarz und phantastisch in die Luft empor. In Schanze 4 lag ein kunstvoll gegossenes Bronzerohr, das von einem patriotischen Bauersmann unter einem Redeschwall als eines von denen wiedererkannt wurde, die ihnen der Däne, wie er sagte, damals im Jahre 50 aus Rendsburg gestohlen habe!
In Schanze 6, die mich sowohl durch ihr ganz besonders interessantes Innere, als auch dadurch anzog, daß bei ihrer Erstürmung unter Anführung des braven gefallenen Majors v. Beeren unsre Düsseldorfer und andere rheinische Jungen geholfen hatten, traf ich den Pionierleutnant Bendemann, der sich als einer der Ersten gestern besonders hervorgetan hatte. Vor dieser wie den nächsten Schanzen bis zu Nr. 10 waren die Palisadenreihen, vom Rand des Graben aus, horizontal mit Spitze gegen die Brustwehr gerichtet, was die ersten Stürmer genötigt hatte, von ihn aus erst den Sprung in den zwanzig Fuß tiefen Graben zu tun. Dabei muß einer der Unsrigen getroffen sein, denn ich fand auf einer der Palisaden eine große frische Blutlache. Die sofort eingreifenden Pioniere, die überhaupt in dem ganzen Kampf den höchsten Grad von Tapferkeit, verbunden mit besonnener Geschicklichkeit und größter Kaltblütigkeit, im heftigsten Gewehrfeuer bewiesen haben, machten dann durch Sprengen oder mit ihren Äxten und Hacken augenblicklich eine für die Nachrückenden leichter gangbare, breitere Lücke. Ebeso wurden die bereits genommenen und hinten mit einem offenen Zugang versehenen Schanzen im Nu von ihnen geschlossen, worauf die den Sturmkolonnen zugeteilten Artilleristen die noch brauchbaren dänischen Geschütze umdrehten und mit der ersten besten vorhandenen Ladung den fliehenden Feind beschossen. Dabei mögen die tapfern Schwarzkragen es mit der Ladung in der Hitze des Augenblickes wohl etwas allzugut gemeint haben, denn einzelne der alten eisernen Brummer hatten, empört über diese ungewohnte Behandlung, sich rücklings überschlagen und lagen noch so im Sande.