1864-Arkivet

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Ein Fuß lag dort ohne Mann!

Wilhelm Gahter var preussisk Gefreiter ved 4. Garde-Grenadier-Regiments “Königin Augusta” 4. Kompagni.

Apenrade, den 21. April 1864

Liebe Eltern! Wie aufgemuntert und fröhlich man nach einem harten Strauß, besonders wie vor Düppel, ist, kann nur derjenige empfinden, welcher dem Tode entkommen und welchen der liebe Gott beschützt. Aber vor der Schlacht, wie sieht es denn da aus? Was denkt da der Soldat, wenn er seine Kräfte nicht seinem Gegner allein, sondern auch noch allen möglichen Hindernissen zu überwinden hingeben soll. Was denkt man, wenn ein jeder weiß, um 10 Uhr erfolgt das Kommando: Vorwärts! und der Kommandeur sagt es sind noch 5 Minuten bis dahin! Euer teurer Sohn Wilhelm Wie sehen da die Gesichter so nachdenklich aus; man reicht sich gegenseitig die Hand. Adieu Kamerad, falle ich, so grüße noch den und den, noch meine lieben Eltern etc. etc.; wenn ich verwundet werde, so schleppe mich fort und was man noch da alles zu sagen hat. Ein Priester, der stets an unserer Seite gewesen, spricht einem noch auf dieser Stelle tröstende Worte zu. Seine Stimme zittert und ist wehmutsvoll, unser Inneres wird weich, und hin und wieder sieht man welche, denen eine Träne im Auge steht. So ungefähr war es bei uns am 18. April in dem Laufgraben vor Düppel, wo wir von morgens 1/2 6 Uhr bis 10 lagen. Die Kanonenschüsse waren bis dahin für den Zuhörer nicht einmal zählbar, und die ganze Luft war schon dicht mit Pulverdampf angefüllt als mit einemmal der Kanonendonner schwächer wurde und unsere Füsiliere ausschwärmten bis zur Düppler Chaussee. Dann hieß es Vorwärts!, und jetzt folgt unsere Abteilung. Dieses geschah in seltener Geschwindigkeit mit Mut, teils getrieben von Angst und von den vorbeifliegenden Kugeln, die zischend die Luft durchschneiden, angetrieben. Wir mußten von unserem Laufgraben aus an Schanze 5 vorbeilaufen, um nach unserem Bestimmungsort nach Schanze 6, zu kommen und erhielten deshalb ein furchtbares Feuer und dann noch den Kartätschenhagel von den hinteren Schanzen. Wir hatten kaum das Freie passiert hörte man schon Jammergeschrei rechts und links, vor und hinter sich. Hier sieht man einen in schwindelnder Stellung, hier fällt einer um, dort liegt schon einer in rotem Blute. Wer darf sich aber daran stören und diese in dem Augenblicke bedauern; damit wäre unsere Aufgabe zu Nichts geworden. Vor den Schanzen fanden wir einen Drahtzaun als erstes Hindernis. Die Pioniere schlugen den Draht entzwei, teils fällt der Zaun von unserem Druck; dann fand man noch eine ganze Linie von eingeschlagenen Pfählen, dicht nebeneinander. Ein Hindernis, welches uns aber keinen Aufenthalt machte. An der Schanze angekommen, fanden wir die so viel besprochenen Palisaden. Schanze 6 hatte keine aufrechtstehenden, sondern nur waagerechte Palisaden, welche über den Graben vier Fuß standen und vorne angespitzt waren. Hier mußte man herunter, so gut und schlecht wie es ging; die Hauptsache nur geschwind, denn bis dahin hatte die Schanzenbewohner die schönste Zeit, um uns zu beschießen. Gerade an der Stelle, wo ich heruntersprang, lagen auf den Palisaden zwei Tote. Ein Pionier in liegender, einer von uns in zusammengehockter Stellung, beide furchtbar blutend. Wer glücklich im Graben angekommen, griff nun sein Gewehr und stürzt die Schanze hinauf. Die Dänen, die darin waren, gaben sich meistens gutmütig gefangen, und waren indessen Schweinehunde dabei, welche auf zehn Schritte Entfernung das Gewehr abfeuerten, dann einsehend, der Übermacht zu unterliegen, die Waffe wegwerfend und um Pardon bittend. Einem Artilleristen, der am Geschütz stand, die Schnur in der Hand, um es abzufeuern, wird von unseren Pionieren zugerufen, nicht abzufeuern, ihm sein Beil entgegenhaltend; doch der Artillerist läßt die Schnur nicht los, und schon fliegt ihm das Beil an den Kopf, und er fällt mit gespaltenem Schädel zur Erde. In den ersten Augenblicken war es ein wahres Durcheinander und Kriegsgeschrei in der Schanze. Doch bald wurden die Gefangenen herausgetrieben, und wir waren alleinige Besitzer der Schanze. Augenblicklich sahen Pioniere und Artillerie die Schanze nach, ob irgendein Zunder zum Sprengen angelegt war oder sonst gefährliche Sachen v erborgen wären. Doch fand man nichts vor, aber recht bald Pulver und Blei, um Geschütze zu füttern. Mit aller Kraft wurden nun die Geschütze umgedreht und in wenigen Minuten wurden die Dänen mit eigenem Geschütz und eigener Munition beschossen. Der erste Kanonendonner brachte uns alle in eine herrliche Stimmung, denn wer wollte uns Helden nun noch was auf unserer festen Burg anhaben. Sicher kein Däne. Es befanden sich der Geschütze hier 8 schwere Festungsgeschütze und 6 leichte. Nachdem wir unsere Sache im Bereiche unseres Reviers gesäubert hatten, stellte sich unser Bataillons-Kommandeur, Major von Beeren, auf die Höhe der Schanze, kommandiert: Gewehr in Ruh! und fällt noch von einem Flintenschuß im Unterleib getroffen, tot zur Erde. Wir bedauern ihn wohl alle, weil er ein entschiedener, tüchtiger aber auch guter Soldat war. Nachdem es auf unserer Schanze ruhiger wurde, sah man sich mal mit klaren Augen um, wie denn eine hinterliegende Schanze nun genommen wurde, und hat es sicher manchem mehr Spaß gemacht, es nun mit anzusehen als mitzumachen. Da konnte man ruhig ansehen, wie die Braven hinstürzten und sich verzweifelnd nach den verwundeten Teilen hingriffen oder auch wie ein Stück Holz gleich liegen blieben, wie dann aber auch die Schanze besiegt wurde und unsere schwarz-weiße Fahne darauf wehte. Schön und herrlich, wenn alles gelingt. Der Brückenkopf wurde zuletzt genommen und mußten an demselben oder bis zum Wege dahin die meisten Kühnen ihr Leben lassen. Die Brücken wurden ineinander geschossen und brannten die Pontons auf dem Wasser. Der Rückzug der Dänen war abgeschnitten und wurde alles entweder gefangengenommen, oder die übrigen mußten in die Ewigkeit wandern. Jetzt wurde noch nach Alsen herübergefeuert und die Gebäude in Brand geschossen. Ein Augenblick, der nicht schöner im Panorama gegeben werden kann, aber auch ebenso traurig, wenn man denkt daß das Unglück für Dänemark so mit einem Schlage im vollen Maße eingetreten war. Die Kanonade dauerte noch bis zum Abend, wo die Sonne sich neigte. Noch vor ein Uhr wurden wir von den hinterstehenden Reserven abgelöst, und man wurde von allen Seiten gefragt lebt der und der noch; von Bekannten wurde man gratuliert daß man mit heiler Haut davongekommen. Die Freude war groß! Jedoch wurden manche gesucht jedoch vergebens; sie lagen vielleicht bei den Verwundeten auf dem Verbandplatz oder bei den Toten oder gar noch auf freiem Felde ohne Hülfe. Auf den Verbandplätzen sah es schauderhaft aus, die Toten nebeneinander hingeschleppt. Die Verwundeten möglichst genügend zum Transport verbunden. Auf der Chaussee sah man ganze Züge von Wagen, die beladen waren mit Verwundeten, von welchen die Gesichter dermaßen aussahen, daß der Tod schon eine Hauptrolle darin spielte. Wenn man dieses alles gesehen, so muß man wahrlich sagen, daß es eine grausenhafte Welt ist, die sich jetzt so schändlich gemetzelt und dann wieder bemüht ist, die Wunden zu heilen. Unser Weg führte uns wieder in die alten Quartiere von Nübel, wo wir bis zum anderen Tage nachmittags blieben. Dort wurden so viele Verwundete untergebracht wie möglich, und Tote sah ich dort an der Nübler Kirche auf einen Haufen zusammengeschleppt liegen. Fünf Offiziere lagen dort, worunter auch unser Major war. Ein Fuß lag dort ohne Mann! Den 19. nachmittags beerdigten wir einen Sergeanten von uns auf dem Kirchhofe und gingen dann nach Warnitz ebenfalls in unsere alten Quartiere. Bei unserer Kompanie waren 2 Tote und 5 Verwundete und ist wohl keine andere Abteilung gewesen, die so gnädig davongekommen. Wieviele überhaupt gefallen, weiß ich nicht und werdet Ihr in den Blättern einen besseren Bericht erhalten als ich. Die Zahl der Gefangenen war groß. Bemerkenswert ist noch, daß auf der Schanze 6 die erste Fahne wehte, wo die Garde nicht wenig stolz drauf ist. In Warnitz gedachten wir, einige Tage der Ruhe zu genießen, doch bald änderten sich die Befehle. Unser Oberst sprach zu uns: Ihr seid Kerls, mit denen man die Welt besiegen kann, wir gehen jetzt nach Jütland, Fridericia muß auch noch fallen. Ob's wahr ist!? Gestern nachmittag kamen wir hier an und hatten Befehl, heute morgen um 1/2 6 Uhr nach Haderslev zu marschieren. In der Nacht aber änderte sich der Befehl, daß das Stürmungsbataillon wieder zurückgehen soll, jedoch zuerst vom König besichtigt zu werden, der indessen bis jetzt noch nicht hier ist. Es heißt, er soll morgen kommen, und ruhen wir uns ein wenig aus und freuen uns des Lebens, weil man hier noch was ordentliches für's Geld kriegen kann.

Euer teurer Sohn

Wilhelm